Navigation auf uzh.ch
Sie arbeitete an der Heilung von Frakturen, Knorpel- und Knochendefekten und prägte als erste Dekanin die Vetsuisse-Fakultät. Die Professorin für Experimentelle Veterinärchirurgie Brigitte von Rechenberg setzte sich für die Rechte von Frauen an der Universität ein und war dabei selbst ein Rollenmodel für viele angehende Veterinärmedizinerinnen.
Von Marita Fuchs
Jeden Sonntag gab es Schweinefilet mit Kartoffeln. Die elfjährige Brigitte kochte, weil die Mutter krank war. Resolut wandte sie das Filet im Topf. Das Mittagessen war für Vater, Bruder und Gäste. Die Mutter war sehr krank und die folgende tiefe Depression war zum Teil eine Folge des Ungleichgewichts in der Ehe mit ihrem ausgeprägt autoritären, geschäftlich erfolgreichen und charakterlich starken Gatten. Die Mutter, eine Holländerin, die in Indonesien aufwuchs, war nicht immer so. Die aktive Schwimmerin und attraktive Frau veränderte sich erst im Laufe der Zeit. Als Ehefrau und Mutter zweier Kinder fand sie den Weg nicht. Sie versank in eine tiefgründige Passivität und Traurigkeit.
Kamen Gäste, war wieder die Tochter gefragt. Doch zuerst wurde der Dackel versorgt. Es zeigte sich bereits jetzt, was Brigitte von Rechenberg später ausmacht: Disziplin, Dinge tun, die man tun muss, Respekt und Verantwortung gegenüber Tieren. Nicht zuletzt hat sie das bei Karl May und Old Shatterhand gelernt: Ein guter Reiter versorgt zuerst sein Pferd. Die Liebe zu Pferden habe sie im Blut, erzählt Brigitte von Rechenberg. Wir sitzen in ihrem Wohnzimmer, zu unseren Füssen ihre beiden Labradorrüden. Die Professorin für Experimentelle Veterinärchirurgie ist seit kurzem emeritiert und nimmt sich Zeit für einen Blick zurück.
Sie entstamme preussischem Uradel, erzählt sie, dessen Wurzeln bis auf das Jahr 920 zurückgehen. Der Urgrossvater war General unter Hindenburg, er liebte Pferde, genauso wie sie heute. Sie deutet auf ihre Halskette, in der die Schweifhaare ihres ersten Araberwallachs eingeflochten sind. Schammar sei gewesen wie Rih, jenes Pferd bei Karl May, das einfach alles konnte.
Rechenbergs Grossvater wiederrum, machte keine Karriere im Militär. Er wurde im ersten Weltkrieg verwundet und beschloss, Pfarrer zu werden. Seine jüdische Verlobte, die später Rechenbergs Grossmutter wurde, hatte Lungenprobleme und kurte im Lungensanatorium in Davos. Der Grossvater kam zu Besuch und freundete sich mit dem Davoser Pfarrer an, – man war ja unter Kollegen. So kam es, dass der Grossvater auch mal in dem Schweizer Kurort predigen durfte. «Seine Predigten in Hochdeutsch waren so beliebt, dass sogar Leute aus dem Prättigau kamen, um ihn zu hören», erinnert sich Rechenberg aus den Erzählungen der Eltern. «Als Jugendliche fand ich seine Ansprachen schrecklich pathetisch, aber die Leute haben gemerkt, dass er überzeugt war von dem, was er sagte.» Als die Nazis an die Macht kamen, kehrten Grossvater und Grossmutter Deutschland den Rücken und wurden – dank der damals noch unkomplizierteren Bedingungen – Schweizer.
Brigitte von Rechenberg ist in der Schweiz aufgewachsen, in Chur zur Schule gegangen und hat an der Universität Zürich studiert, doch die deutschen Wurzeln gingen nicht verloren. Besonders eine Person in Deutschland wurde in ihrer Jugend für sie wichtig: Tante Betty, die Schwester des Vaters. «Heute würde man sagen, sie war ein Rollenmodell», erzählt von Rechenberg. Betty gehörte zu den ersten 700 Frauen, die in Deutschland einen Doktortitel erwarben, sie lebte ein freies Leben in Berlin. «Für die Familie war sie so richtig neben der Kappe», sagt Rechberg lachend, «für mich war sie ein Vorbild.»
Dies ist ein Ausschnitt. Das vollständige Porträt ist als PDF verfügbar.